Shape-from-Shading: Die Rolle der richtigen Beleuchtungstechnik

 

Die zuverlässige automatisierte Inspektion schwieriger Oberflächen gilt als Königsklasse der Bildverarbeitung. Dazu gehört das Detektieren von Oberflächendefekten genauso wie das Erkennen von Prüfmerkmalen. Allerdings ist das, was der Mensch oft bereits auf den ersten Blick erkennt, für das Bildverarbeitungssystem eine der größten Herausforderungen. Kleinste Defekte und Merkmale auf einer Oberfläche zu erfassen, ist für sich schon eine anspruchsvolle Aufgabe. Verschiedenste Formen, Texturen, Farben, Oberflächenveränderungen und Reflexionseigenschaften erschweren die Auswertung zusätzlich. Doch wo die klassische Bildverarbeitung an ihre Grenzen stößt, setzt Shape-from-Shading an – eine perfekte Symbiose aus Bildverarbeitungssystem und Beleuchtung.


Shape-from-Shading beruht auf der Trennung von Textur und Topografie des Prüfobjekts. Dazu wird die zu prüfende Region mit mehreren Bildaufnahmen aus unterschiedlichen Richtungen beleuchtet. Jede Aufnahme spiegelt die richtungsabhängige Schattierung der Oberfläche wider. Durch Licht und Schatten erhält man die Höhen- und Tiefeninformationen, die zur Weiterverarbeitung benötigt werden. Die einzelnen Aufnahmen werden anschließend miteinander verrechnet und liefern als Ergebnis die topografischen Informationen des Prüfobjektes. So entsteht eine fast schon 3-dimensionale Darstellung der betrachteten Oberfläche.


In einer klassischen Bildaufnahme beeinflussen Farbunterschiede, Helligkeitsveränderungen, Texturmerkmale und Oberflächenveränderungen wie z. B. Rost die Auswertung. Mit Shape-from-Shading werden diese Störfaktoren weitestgehend ausgeblendet, erhalten bleiben 3D-Informationen der Oberfläche. Schon wenige Mikrometer hohe oder tiefe Defekte und Merkmale werden sichtbar. Das errechnete Ergebnisbild kann schnell und zuverlässig mit Standard-Bildverarbeitungsalgorithmen wie OCR-Erkennung oder einer Kantendetektion ausgewertet werden. 
 

Video zu Shape from Shading

Typische Anwendungen für Shape-from-Shading sind:

  • Oberflächeninspektionen auf stark glänzendem Untergrund
  • Kontrolle von Schlagzahlen, Prägungen, Gravuren
  • Lesen von genadelten oder gelaserten Zeichen und Codes
  • Kanteninspektionen
  • Bestückungskontrollen, z. B. beim Fügen verschiedener Kunststoffteile
  • Typ- und Lagekontrollen
     

Beispielsweise ist Braille-Schrift auf einer bedruckten Medikamentenverpackung durch die Trennung von Topografie- und Farbinformationen deutlich vom mehrfarbigen Untergrund unterscheidbar und einfach zu kontrollieren:
 

Aber auch schwierigere Oberflächen, z. B. Gußteile, stark reflektierende oder geschliffene Metalle, lassen sich durch Shape-from-Shading so darstellen, dass Merkmale wie Prägungen oder Schlagzahlen sicher ausgewertet werden können.

Herzstück des Verfahrens ist eine ausgeklügelte Bildverarbeitungsalgorithmik. Wie der Name „Shape-from-Shading“ vermuten lässt, spielen Licht und Schatten wie so oft in der Bildverarbeitung eine entscheidende Rolle. Trotz spezieller Softwarealgorithmen ist und bleibt die Beleuchtung eine der wichtigsten Komponenten bei der Entstehung eines Bildes. Insbesondere bei diesem Verfahren, welches anhand verschiedener Schattenbilder Höhen- und Tiefeninformationen ermittelt, ist die Anordnung der Beleuchtung zu Kamera und Prüfobjekt entscheidend für ein optimales Ergebnis

Es können dabei verschiedene Auflichtbeleuchtungen eingesetzt werden. Voraussetzung ist, dass sich die Beleuchtungen in einzelnen Segmenten umlaufend um das Prüfobjekt schalten lassen. 
Unter Beachtung des Materials, der Oberflächeneigenschaften und der Größe des Prüfobjektes sowie des Arbeitsabstandes kommen typischerweise folgende Beleuchtungen infrage:

  • im Quadrat / Rechteck angeordnete Balkenbeleuchtungen,
  • segmentweise schaltbare Ring-, Dunkelfeld- oder Dombeleuchtungen.

Sehr flexibel können Balkenbeleuchtungen verwendet werden. Diese lassen sich frei anordnen und problemlos in Position, Abstand und Winkel an die jeweilige Aufgabenstellung anpassen. Eine solche Beleuchtungsanordnung, beispielweise aus 4 Miniaturbalken der LSB-Serie, ermöglicht eine maximale Flexibilität bei einer gleichzeitig lichtstarken Ausleuchtung. Mit einem sehr flachen Abstrahlwinkel erzeugt man selbst bei kleinsten Oberflächenveränderungen einen Schattenwurf. Liegen die Merkmale hingegen verdeckt, z. B. im Inneren eines Rings, kann die Beleuchtung etwas höher und in einem steileren Winkel angeordnet werden.
 

Beispiel: Gefräste Zeichen im Inneren eines Metallteils

Doch nicht alle Oberflächen lassen sich mit dieser Anordnung optimal beleuchten. Auf stark glänzenden und reflektierenden Flächen bilden sich die Stoßkanten der einzelnen Balkenbeleuchtungen ab. In diesen Fällen ist eine geschlossene Beleuchtungslösung von Vorteil

Eine ringförmige Beleuchtung, die in 4 oder mehr Segmenten ansteuerbar ist und in Abhängigkeit des Reflexionsverhaltens der Prüfoberfläche mit verschieden starken Diffusoren ausgerüstet werden kann, ist hier eine gute Alternative. Ebenso können stark glänzende oder spiegelnde Teile mit einer Dombeleuchtung optimal beleuchtet werden. Dunkelfeldbeleuchtungen eignen sich aufgrund ihres sehr gerichteten Lichts hingegen für Oberflächenveränderungen mit sehr geringer Tiefe bzw. Höhe

Angesichts der Komplexität des Themas und der Schwierigkeit, mögliche Ergebnisse im Vornherein ohne Tests zu ermitteln, sollte für jede Aufgabenstellung die optimale Beleuchtungsanordnung im Bildverarbeitungslabor erarbeitet werden. Denn nur mit der richtigen Beleuchtung lassen sich so eine Vielzahl von Aufgabenstellungen schnell und sicher lösen.


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